@ Woody | 14. November 2015 – 23:18
Ich will Ihnen nichts, keine Angst. Finde Ihre Argumente durchaus interessant, auch wenn ich sie in wesentlichen Teilen nicht teile.
Thema Dysbalancen und Ausgleich: Es gehört zur Theorie der Expansion, gezielt Dysbalancen zu schaffen, um dann beim Ausgleich der erzeugten Spannungen das eigene Hegemonialreich zu vergrößern. Eine rein reaktive, auf Ausgleich bedachte Außenpolitik, wie sie Deutschland von Ihnen richtig beschrieben betreibt, wird also dazu führen, dass auf Expansion bedachte Spieler gezielt Dysbalalancen produzieren, um anschließend zu gewinnen. So würden wir Scheibchen für Scheibchen verlieren und okkupiert werden. Wenn das das strategische Ziel unserer Regierung ist, kann ich dieses Ziel nicht teilen.
Auch Erhalt/Stabilisierung der EU ist kein strategisches Ziel. Die EU ist ein taktisches Werkzeug, um Frieden und Völkerfreundschaft zwischen den europäischen Staaten zu organisieren. Die EU ist kein Selbstzweck. Wenn sich diese EU z.B. durch überbordenden Zentralismus oder die Infragestellung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zum Problem für die Organisation von Frieden entwickelt, muss auch diese Institution reformiert und in Frage gestellt werden. Die EU ist ein taktisches Werkzeug, keine Element einer grundlegenden geopolitischen Strategie.
Wie Sie richtig schreiben: Strategische Ziele zu formulieren ist zugegebenermaßen schwer und oft verrennt man sich dann doch in taktisches, oder wird zu schwammig.
Auch Stabilität von Ägypten, Türkei Libanon … ist kein strategisches Ziel von uns. Das diesbezügliche strategische Ziel unsererseits ist, dass von diesen Ländern für uns und unsere Werteordnung keine Gefahr ausgeht. Zynisch gesagt: Es kann uns lieber sein, wenn sich islamistische Extremisten in ihren Heimatländern gegenseitig totschlagen, statt bei uns als Selbstmordattentäter in Erscheinung zu treten. Hier kollidiert unser sicherheitspolitisches Interesse ggf. mit humanitären Normen und unserem Interesse an einer besseren Welt und Demokratieexport. Da muss man dann Zielkonflikte lösen und abwägen.
Voll zustimmen kann ich Ihnen, dass es dringend notwendig ist, die ordnungspolitischen Werkzeuge der EU-Staaten auf Vordermann zu bringen.
Moralexport als strategisches Ziel halte ich für gefährlich. Die Islamisten vom IS haben z.B. dieses strategische Ziel, weswegen sie im Rahmen ihres Dschihad Anschläge zwecks Exports ihrer Werteordnung unter „Ungläubigen“ veranstalten. Solange von einem Land wie z.B. Saudi Arabien, dessen Werteordnung ich rundweg ablehne, keine Gefahr für uns ausgeht, sehe ich keinen Grund, warum wir uns in deren innere Angelegenheiten einmischen sollten. Selbst eine begrenzte Kooperation mit Ländern mit Wertesystemen, die wir ablehnen, halte ich für zulässig.
Stichwort unsere moralische Position in der Welt (Drohnenkrieg etc.): Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht von allen Menschen in der Welt geliebt werden. Etwas vulgär ausgedrückt (sorry, aber finde gerade keine Formulierung, die es so auf den Punkt bringt): „Die Deutschen wollen von der ganzen Welt geliebt werden und wundern sich nun, dass man dauernd nur fickt“. Unser Verhalten darf von unseren Feinden nicht als Schwäche ausgelegt werden können. Hier die richtige Balance zwischen geliebt werden wollen und gefürchtet sein zu finden, ist schwierig.
Aufgrund unserer Handelsbeziehungen sind wir Teil der sich anbahnenden asiatischen Konflikte. Ob es uns gelingt, uns hinter „internationaler Ordnung“ zu verstecken und uns so rauszuhalten, wage ich zu bezweifeln. Auch hier kommen wir nicht umhin, herauszufinden, was unsere strategischen Interessen überhaupt sind und wie wir diese vertreten.
Nationale Handlungsfähigkeit setzt Finanzierbarkeit voraus. Die eigenen Haushalte in Ordnung zu bringen, ist also richtig, Zustimmung.
Der Klimazirkus sollte vielleicht langsam den Weg des Waldsterbens gehen. Wir haben wieder echte Probleme und sollten unsere Ressourcen nicht mehr für imaginäre Probleme verwenden. Unabhängig von der Existenz eines menschlichen Einflusses auf das Klima in welcher Art und Dimension auch immer: Bei den Realitäten dieser Welt können wir uns allenfalls auf die Folgen vorbereiten, denn es wird ein weltweites kooperatives Handeln nicht geben.
Die UN halte ich sicherheitspolitisch für neutralisiert in unserer multipolaren Welt. Es ist richtig, diesen Debattierklub aufrecht zu erhalten, sicherheitspolitisch darauf verlassen sollte man sich nicht. Auch für die UN gilt: Sie ist ein Werkzeug, kein strategisches Ziel.
Soweit meine etwas von Ihrer Sicht abweichende Sichtweise.
@ Sachlicher | 15. November 2015 – 11:20
Richtig, nur spielt das in der gegenwärtigen Auslegung des HVR durch unsere bundesdeutschen Politiker keine Rolle. Das HVR ist in vielen Punkten näher an der Realität einer Welt im Krieg als die deutsche eher moralfixierte Debatte darüber.
@ Debatte Entgrenzung des Krieges
Jede Handlung in einer militärischen Auseinandersetzung kann dem eigenen Kriegsziel entsprechend dumm oder klug, richtig oder falsch sein. Hierbei kann die Handlung mit dem HVR konform gehen oder eben nicht. So marodierende Banden wie die „UN-Truppen“ im Kongo sind immer der falsche Weg. Wenn sich der Gegner einer entwickelten Nation ans HVR hält, ist es meist klug, sich selbst auch daran zu halten. Wenn er das nicht tut, kann es zu Situationen kommen, in denen man bei der Bekämpfung des Feindes vor der Frage steht, entweder kaum Wirkung zu entfalten oder eben selbst Dinge zu tun, die nur schwer in Einklang mit dem HVR zu bringen sind. Hier muss man als Nation entscheiden, ob man das HVR als absolute Schranke sieht oder das eben relativiert, z.B. nach dem Prinzip Tit for Tat (Wenn du dich dran hälst, tun wir das auch, hälst du dich nicht ans HVR, ist es für uns nur von Bedeutung, wenn es unseren Kriegszielen nicht im Weg steht …). Einige legen das HVR eh so aus, dass es nur verbindlich ist, wenn sich auch der Feind dran hält.